Klartraum der Superlative

s-man1.jpgDen nachfolgend beschriebenen Klartraum möchte ich als einen meiner besten bezeichnen. Das markanteste Detail war mit Abstand das Fliegen ohne Flügel und Flughilfen. In einem Klartraum ist es ohne Weiteres möglich mittels „Schwimmbewegungen“ zu fliegen und dabei sein eigenes „Ich“ so klar und realistisch im Schwebezustand – abgehoben vom festen Boden – zu erleben, dass das „süchtig“ machen kann (da hier aber keinerlei Drogen im Spiel sind, wird man natürlich nicht wirklich süchtig). Alle 3D-Computerspiele sind dagegen kalter Kaffee. Wer mir das nicht glauben mag, sollte es mal selbst versuchen.

Zunächst hatte ich einen „normalen Traum“. Soweit ich mich erinnern kann, feierte ich mit anderen Leuten (ich fühlte mich einem Verein zugehörig). Wir saßen an langen Tischen und Bänken in einem großen Zelt, tranken Bier aus Krügen und aßen Speisen von einem Buffet, das in einer Ecke des Zeltes aufgebaut war. Ich erinnere mich an Hähnchenkeulen, die ich verputzte. Dann beschloss die Versammlung, sich aufzulösen und nach Hause zu gehen. Ich beschloss, nach Hause zu fliegen. So stieß ich mich vom Boden ab und erlangte durch Schwimmbewegungen langsam an Höhe. In diesem Moment sendete mein Unterbewusstsein ein Signal an mein Bewusstsein. Moment mal! Ich fliege nach Hause?! Ich machte einen Realitätstest (RT) und verglich die Situation mit meinen Kenntnissen aus dem Wachbewusstsein. Da man im realen Leben durch Schwimmbewegungen nicht fliegen kann, dies aber gerade geschah, kam ich zu dem Schluss, dass ich träumen müsste. Ich war gerade im Aufsteigen begriffen und durch meine Erkenntnis, dass ich mich in einem Traum befand, wurde augenblicklich alles klar und scharf. Der Horizont weitete sich, mein Tunnelblick verschwand und unter mir sah ich eine sehr detailreiche Landschaft. Die Häuser, Strommasten, Bäume, Straßen und Felder wurden langsam kleiner. In meiner Nähe sah ich blaue fliegende Fische, deren Schuppen das Sonnenlicht reflektierten. Blaue fliegende Fische gehören nicht hierher, dachte ich. Weg mit ihnen! Und prompt verschwanden die Fische. Ich dachte an die Schilderung eines Klarträumers bei Tholey, der beschlossen hatte, höher und höher zu steigen. Dies wollte ich auch, nämlich ganz nach oben. Und so „schwamm“ ich weiter durch die Luft, und zwar in etwa so, als ob man nach dem tiefen Eintauchen in einen See sich in Richtung der Wasseroberfläche bewegt. Nebenbei schaute ich immer wieder unter mich und genoss die tolle Aussicht. Die Dinge unter mir wurden immer kleiner und verschmolzen zu einer Ebene mit vielen Farbflecken. Der Horizont, die Wolken und das Blau des Himmels; dies alles war atemberaubend. Bald war ich so hoch „geschwommen“, dass ich sogar über die Atmosphäre unserer Erde hinaus kam und nun unseren wunderschönen blauen Planeten unter mir erblickte. Und so war ich in den Kosmos aufgestiegen, ohne ein Raumschiff zu benutzen. Nun hielt ich inne und genoss diesen phänomenalen Anblick. Es war unglaublich. Eine Weile schwebte ich reglos im Weltraum und beschloss dann, wieder zur Erde zurückzukehren und irgendwo zu landen. Ich dachte: Landen kann man doch auf einem Flughafen. Ich wünschte mir, einen Flughafen zu sehen und prompt sah ich mitten in einem Waldgebiet einen Tower und große Abfertigungsterminals. Langsam sank ich mit leichten Schwimmbewegungen hinab. Schließlich landete ich hinter einem großen Stahlgittertor, das zusammen mit einem weitläufigen stacheldrahtbewehrten Stahlgitterzaun das Gelände des Flughafens vom Außenbereich abgrenzte. Hinter der Umfriedung sah ich eine betonbefestigte weitläufige Piste. Ich wollte auf das Gelände und beschloss daher, über den Zaun zu klettern. Irgendwie kam ich da rüber, was mir wegen des Stacheldrahtes einige Mühe bereitete. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass ich etwas Verbotenes mache. Als ich auf der anderen Seite stand, hörte ich jemanden kommen. Schnell duckte ich mich ab. Ein Uniformierter ging an mir vorbei. Er trug eine Ein-Strich-Kein-Strich-Uniform[1], ein Käppi und am Gürtel eine verschlossene Pistolentasche. Als er meine Position passiert hatte, dachte ich erleichtert: Ha, er hat mich nicht gesehen! Meine Freude währte nicht lange, als ich bemerkte, dass er zu einem Flachbau mit großen Glasfenstern ging. Irgendetwas sagte mir, dass ich aus diesem Gebäude beobachtet wurde. Mist!, dachte ich und machte mich eilig daran, wegzulaufen. Doch zu spät; zwei uniformierte Typen kamen auf mich zugerannt, schnappten mich und nahmen mich in die Mangel. Sie traktieren mich in ein Flughafengebäude. Ich befand mich nun in einer Art Großraumbüro mit Tresen und Schaltern. Letztere hatten große Glasscheiben mit einem jeweils am Tresen ausgeschnittenen Oval. Komischerweise ließen mich die Uniformierten nun allein. Es schien so, als ob sie nichts mehr von mir wollten. Nun stand ich also an so einem Abfertigungsschalter und sah auf der anderen Seite einige asiatisch aussehende Männer, die an den Tresen herantraten. Sie sagten etwas. Mir kam sofort in den Sinn: Das ist koreanisch! Ich antwortete etwas in dieser Sprache, ohne zu wissen, was ich da sagte. Ich war erstaunt, dass ich das sprechen konnte. Noch erstaunter war ich darüber, dass es die Koreaner zu verstehen schienen und sich über meine Worte freuten. Sie zeigten mir ihre Pässe, was mir bewies, dass ich wohl danach gefragt haben musste. Einer der Koreaner holte ein paar Fotos heraus und schob sie durch das Oval in der Scheibe zu mir herüber. Sie waren quadratisch und hatten ein relativ kleines Format. Trotzdem konnte man auf den Fotos einen Teil der Koreanergruppe gut erkennen. Die Männer lächelten in Richtung der Kamera. Ich sagte wieder etwas auf koreanisch, ohne meine Worte zu verstehen. Es musste so etwas gewesen sein wie: Sehr schöne Fotos!, denn der Koreaner verzog seinen Mund zu einem breiten Lächeln. Sodann schob ich die Fotos zurück. Der Koreaner nahm sie wieder an sich und verbeugte sich vor mir. Die Koreaner wandten sich nun ab und liefen in die Richtung der Flugsteige. Als sie verschwunden waren, und da sich keine weiteren Reisenden vor dem Schalter eingefunden hatten, fasste ich den Entschluss, das Flughafengebäude zu verlassen. Unmittelbar hinter den Tresen befanden sich Türen, durch deren Scheiben ich erkennen konnte, dass sie alle nach draußen führten. Vorsichtig blickte ich mich um und öffnete die Tür, die mir am nächsten war. Da kein Warnsignal ertönte und auch keine Uniformierten zu sehen waren, begab ich mich nach draußen. Nun befand ich mich auf einer riesigen Betonfläche. An einigen Stellen standen große Laubbäume, die den Beton durch ihr Wachstum im Laufe der Zeit förmlich gesprengt hatten. Plötzlich sah ich aus dem Augenwinkel, dass wieder so ein Uniformierter auf mich zurannte. Diesmal war ich vorgewarnt und ich erinnerte mich daran, dass ich ja fliegen konnte. Sofort stieß ich mich von Boden ab und begann mit rudernden Schwimmbewegungen, nach oben zu steigen. Gleich darauf hatte der Uniformierte meine vorherige Position am Boden erreicht und versuchte noch mit ausgestreckten Armen meine Füße zu fassen zu bekommen, was ihm freilich nicht mehr gelang. Frustriert rief er zu mir hoch: „Na, das geht doch gar nicht!“ Belustigt antwortete ich ihm: „Womit bewiesen wäre, dass man auch ohne Flügel und ohne Flugzeug fliegen kann!“ Ich sah noch, wie immer mehr Uniformierte unter mir zusammenkamen, heftig gestikulierten und mit großen Augen zu mir nach oben sahen. Dann wandte ich mich ab und stieg mit schnellen Schwimmbewegungen weiter nach oben. Als ich mich einige Kilometer vom Flughafen entfernt hatte, bemerkte ich dunkle, bedrohlich wirkende, Wolken am Horizont, die ein herannahendes Unwetter ankündigten. Da mir diese Wetterlage nicht geheuer war, fasste ich den Entschluss, mir ein Hotel herbeizuwünschen, um es anzufliegen und das Unwetter dort abzuwarten. Wie aus dem Nichts tauchte nun ein mehrgeschossiges Gebäude auf, an dessen Glasfassade der Schriftzug Hotel Merkur prangte. Sofort ging ich in den Sinkflug über und steuerte den Eingangsbereich des Hotels an. Kaum das ich dort gelandet war, verlor ich meine Klarheit.

Was bei diesem Traum aufgefallen sein dürfte, ist der Umstand, dass ich keineswegs immer die Kontrolle über das Geschehen hatte. Dies zeigte sich zum Beispiel dadurch, dass mich die Uniformierten in die Mangel nehmen und in das Flughafengebäude bringen konnten. Gleichwohl war der Traum die ganze Zeit klar. Wenn man also von einem Klartraum spricht, sollte man sich vor Augen halten, dass es unterschiedliche Stufen der Klarheit gibt.


[1]Dies war die umgangssprachliche Bezeichnung für Felddienstuniformen der ehemaligen Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR. Sie rührte daher, dass auf dem olivgrünen Stoff dieser Uniformen kleine braune Striche in unterschiedlicher Länge aufgedruckt, jedoch alle parallel angeordnet waren. Da die Striche und der Untergrund nur wenig variierten und teilweise fast miteinander verschmolzen, ging von dieser Strichstruktur so gut wie keine zusätzliche Tarnwirkung aus.

 

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