Stell dir vor, du sitzt in deinem Auto, befährst des nachts eine Kreuzung auf der Vorfahrtsstraße und dir knallt mit vollem Tempo ein anderes Auto in die Seite. Die Airbags deines Autos lösen aus, du bekommst sie an den Kopf und den Oberkörper und du weist in diesem Sekundebruchteil gar nicht, was dir gerade geschieht. Dann ist Ruhe und du realisierst, dass du gerade dem Tod von der Schippe gesprungen bist. Benommen nimmst du wahr, dass dir dein linker Arm mit einem stechenden, üblen Schmerz signalisiert, dass er von der Aufprallenergie arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Du kannst ihn nicht mehr bewegen! Dank der Gurtstraffer bist du zudem noch so an den Sitz getackert, dass du dich kaum bewegen kannst. Du versuchst mit der unverletzten Hand den Gurt zu lösen, jedoch hakt das Gurtschloss und du bekommst den verdammten Gurt nicht los. Es riecht nach Benzin und irgendwo steigt Qualm auf. Du hast das Gefühl, dass du ganz schnell raus musst. Wie gut, dass du für solche Fälle vorgesorgt und in der Mittelkonsole ein Rettungsmesser abgelegt hast, das über einen Gurtcutter verfügt. Du nimmst es zur gesunden rechten Hand und beginnst den Gurt anzuschneiden. Es geht dir aber nicht schnell genug, da der Cutter nur ein geringes Spiel hat. Daher klappst du mit der Hand deines gesunden Arms die Klinge auf und schneidest zügig den Gurt an der Stelle durch, wo der Cutter diesen bereits eingeritzt hat. Dann versuchst du die Fahrertür zu öffnen, was jedoch nicht gelingt, da sie sich durch den Aufprall verzogen hat. Zur anderen Seite kannst du leider nicht aussteigen, da die hohe Mittelkonsole deines Autos ein Übersteigen unmöglich macht. Gott sei Dank verfügt das Rettungsmesser auch über einen Glasbrecher, welcher am Ende des Griffes angebracht ist. Du klappst mit deiner gesunden Hand die Klinge wieder ein um dich nicht beim Schlagen auf die Scheibe zu verletzen und bearbeitest diese mit gezielten Schlägen. Schnell bringst du das Glas des Fensters zum bersten. Mit einiger Mühe hangelst du dich aus deinem Auto raus, wobei dein verletzter linker Arm mit einem infernalischen Schmerz seinen Protest anmeldet. Kaum bist du draußen, fängt dein Auto auch schon Feuer. In diesem Moment wird dir ganz anders und du beglückwünschst dich dazu, dass du vorausschauend das Rettungsmesser im Auto griffbereit deponiert hattest.
Wenn ich dir nun sage, dass du seit dem 01.04.2008 eben genau dieses Messer in Deutschland nicht im Auto hättest mitführen dürfen, würdest du sicher große Augen machen. Nein, das ist kein Witz! Du darfst dich im Auto bei einem Unfall mit diesem Messer nicht selbst oder andere retten, da du dieses Messer nicht führen darfst. Führen bedeutet, dass du solche Messer, welche als sog. Rettungsmesser oder Rescuemesser käuflich erworben werden können, nicht außerhalb deines Hauses, deiner Wohnung oder befriedeten Besitztums bei dir haben darfst. Bei dem Messer, welches auf dem Bild zum Artikel beispielhaft dargestellt ist, handelt es sich um ein sogenanntes Einhandmesser. Einhandmesser sind solche Messer, welche man mit nur einer Hand aufklappen und so in eine Arretierung bringen kann, dass die Klinge dann feststeht. Wie das obige Beispiel zeigt, könnte diese Funktionsweise überlebenswichtig sein. Es störte den Gesetzgeber jedoch nicht, genau das zu verbieten. Geregelt ist das Verbot im deutschen Waffengesetz, wo der neu gefasste § 42a regelt:
„Es ist verboten … Messer mit einhändig feststellbarer Klinge (Einhandmesser) oder feststehende Messer mit einer Klingenlänge über 12 cm zu führen …“
Das Verbot gilt nicht: „… für das Führen der Gegenstände nach Absatz 1 Nr. 2 und 3, sofern ein berechtigtes Interesse vorliegt. … Ein berechtigtes Interesse … liegt insbesondere vor, wenn das Führen der Gegenstände im Zusammenhang mit der Berufsausübung erfolgt, der Brauchtumspflege, dem Sport oder einem allgemein anerkannten Zweck dient.“
Du denkst jetzt vielleicht, ein Rettungsmesser, welches als Einhandmesser im Auto mitgeführt wird, dürfte doch von dem Verbot ausgenommen sein, weil es einem allgemein anerkannten Zweck dient. Das dachte ich auch. Jedoch weit gefehlt. Mittlerweile wurde durch das Oberlandesgericht Stuttgart bereits ausgeurteilt, dass das Aufbewahren eines Einhandsmessers im Auto zum Zwecke der Benutzung bei Notfällen, etwa um den Gurt durchzuschneiden, kein anerkannter Zweck im Sinne des Waffengesetzes ist und daher als Ordnungswidrigkeit bestraft werden muss. Dass solch eine Würdigung der blanke Unsinn ist, wird übrigens auch von namhaften Rechtsanwälten kritisiert, wie hier durch die Kanzlei Dr. Schmitz & Partner aus Berlin.
Ich folge übrigens der Einschätzung der Kollegen, dass das in § 42a WaffG festgelegte Verbot des Führens von Einhandmessern schlicht zu unbestimmt ist, da keiner der Normadressaten angesichts des blanken Gesetzestextes wissen kann, ob er nun ein berechtigtes Interesse beim Führen des einhändig klappbaren Taschenmessers verfolgt, es einem allgemein anerkannten Zweck dient oder sein Führen schlichtweg verboten ist.
PS: Rettungskräfte und Polizei dürfen solche Rettungsmesser zur Rettung von Menschen übrigens führen, wenn sie im Dienst sind! Wenn ein z.B. Rettungssanitäter aber privat durch die Gegend fährt (dazu zählen auch Fahrten von und zur Arbeit), sieht das aber schon wieder anders aus.